Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V.
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und Globale Gesundheit e.V.
 
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Tollwut ist eine letal verlaufende zoonotische Viruserkran­kung. Es muss zwischen terrestrischer Tollwut durch am Boden lebende Säugetiere und Fledermaustollwut unter­schieden werden. Deutschland sowie die übrigen westeuro­päischen Länder sind frei von terrestrischer Tollwut. Die meisten tropischen Länder hingegen sind tollwutendemisch. Außerdem muss weltweit mit dem Risiko einer Infektion durch Kontakt mit Fledermäusen gerechnet werden.

Bei einem Biss oder Kratzer oder bei Schleimhautkontakt mit Blut oder Speichel eines infizierten Säugetiers besteht ein Tollwutrisiko. Verletzungen durch potentiell tollwütige Tiere sind ein relevantes reisemedizinische Problem, die Inzidenzrate wird auf rund 0,5% pro Reisemonat geschätzt. 

In einer GeoSentinel-Studie wurden die meisten Tierkontakte im reisemedizinischen Kontext bei Reisenden aus Asien gemeldet; am häufigsten beteiligte Tierspezies waren Hunde, Affen und Katzen.

Tollwutimpfstoff, insbesondere das zur postexpositionellen Versorgung einer Biss- oder Kratzwunde erforderliche Anti-Rabies-Immunglobulin (RIG) ist in vielen tropischen Ländern nicht verfügbar. Jeder Reisende sollte daher primär über das lokale Übertragungsrisiko aufgeklärt werden sowie über Maßnahmen zur Vermeidung von Tierkontakten und Verhaltensmaßnahmen nach einem Kontakt mit einem potenziell tollwütigen Tier.

Reisemedizinische Indikation zur präexpositionellen Impfung

Reisende in Länder mit hohem Tollwutrisiko, speziell bei:

  • Langzeitaufenthalten (>4 Wochen) bzw. auch kumu­lativ bei wiederholten Kurzreisen.
  • unzureichender ärztlicher Versorgung vor Ort,
  • Mangel an modernen Impfstoffen und Immunglobulin,
  • einfachen Reise- oder Aufenthaltsbedingungen oder Aktivitäten mit erhöhter Expositionsgefahr (z. B. Fahrrad- oder Motorradtouren),
  • vorhersehbarem Umgang mit Säugetieren, inkl. Fledermäusen.

Insbesondere Kleinkinder und Kinder sollten großzügig geimpft werden, da sie oft den Kontakt zu Tieren suchen, gleichzeitig unter Umständen über Risikokontakte aber nicht immer berichten (können).

Unabhängig davon, ob sich ein Reisender für eine Tollwutimpfung entscheidet oder nicht, sollte bei jeder Beratung auf die sehr wichtige, sofortige und gründliche Wundreinigung nach einem Tierbiss hingewiesen werden. Laut WHO soll eine Bissverletzung für 15 Minuten unter fließendem Wasser mit Seife gereinigt werden.

Impfstoffe

In Deutschland sind 2 Totimpfstoffe auf Basis inaktivierter Tollwutviren zugelassen (siehe Tabelle 9 in den DTG-Empfehlungen zu Reiseimpfungen, DTG-Homepage, Download-Box). Die beiden Impfstoffe sind innerhalb einer Impfserie miteinander austauschbar.

Applikation:

Laut Herstellerinformationen und STIKO jeweils eine Impfung i. m. an den Tagen 0, 7 und 21-28 (Tab. 9).

Laut der Empfehlung der SAGE-Expertengruppe der WHO aus dem Jahr 2018 sind bei Immunkompetenten zwei präexpositionelle Impfungen (Tag 0 und Tag 7, oder später) für eine Immuninduktion (Priming) ausreichend. Wichtig ist auch bei diesem Schema, dass eine unverzügliche Postexpositionsprophylaxe im Falle einer Verletzung durchgeführt wird.

Wirksamkeit

Zuverlässig; Beginn circa 2 Wochen nach der zweiten Dosis. Bei Immundefizienz ist der Impferfolg fraglich; in diesen Fällen wird eine Antikörperbestimmung empfohlen. Wenn neutralisierende Antikörper unter 0,5 I.E./ml liegen, sollte eine Nachimpfung erfolgen.

Kommentar

Die Hersteller empfehlen eine Nutzen-Risiko-Abwägung für die präexpositionelle Impfung; für die postexpositionelle Immunisierung bei Schwangeren bestehen keine Ein­schränkungen, da Tollwut letal verläuft. Laut WHO sind sowohl die Aktivimmunisierung als auch Tollwut-RIG sicher und wirksam in der Schwangerschaft. Bei schwerer Eiweißallergie ist Tollwut Impfstoff HDC zu bevorzugen.

Postexpositionelles Vorgehen

Nach einem Tierkontakt auf Reisen sind einige Dinge zu erfragen (siehe Tabelle 10 in den DTG-Empfehlungen zu Reiseimpfungen, DG-Homepage, Download-Box).

Bei unvollständiger Grundimmunisierung ist die Vorgehens­weise identisch zu derjenigen bei fehlender Grundimmuni­sierung („Tabelle 11).

Bei gegebener Indikation ist die Immunprophylaxe unver­züglich durchzuführen; es sollte nicht bis zur Klärung des Infektionsverdachts beim Tier abgewartet werden. Wird der Tollwutverdacht beim Tier zum Beispiel durch tierärztliche Untersuchung nachweislich entkräftet, kann die Impfserie abgebrochen oder im Sinne einer präexpositionellen Impfung weitergeführt werden.

Aufgrund der großen Variabilität der Inkubationszeit, die zwischen <10 Tagen und >1 Jahr betragen kann, ist bei begründetem Verdacht auf einen tollwutgefährdenden Tier­kontakt eine Postexpositionsprophylaxe auch noch Monate nach der Exposition sinnvoll. Zwar sollte eine Impfung baldmöglichst nach einem Tierkontakt stattfinden, es gibt jedoch kein „zu spät“.